Danzig, 2. Januar 2013

Hallo ihr Lieben!

Soeben bin ich in den Zug nach Warschau gestiegen und bevor ich wieder alles vergesse, möchte ich doch mal kurz von dieser tollen Stadt berichten. Zunächst allerdings hier nochmal ein Nachtrag zu meinem Fährabenteuer gestern. Auf der Stena Vision habe ich mich ja in einer Sammelkabine einquartiert, weil jede andere Option doch recht teuer geworden wäre und ich sozusagen den auf meinem Konto verbliebenen Rest in Zugreservierungen investiert habe.

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Sammelkabine auf der Fähre nach Polen

Obwohl dieses riesige Schiff nun auf seiner Reise verhältnismäßig menschenleer wirkte (vielleicht 20-30 Gäste… da gab es deutlich mehr Boardpersonal) war meine 4er Kabine jedoch voll. Dort habe ich Martina aus Finnland, die mit ihrem Vater nach Polen gefahren ist, eine ukrainische Politikstudentin, die in Warschau studiert und in Schweden ihren Freund besucht hat sowie eine Polin, die in Schweden die Bilingualität von Kleinkindern erforscht kennengelernt. Auch wenn es der Kommunikation etwas abträglich war, dass alle (außer mir) Polnisch und fast niemand Englisch sprechen konnte, war es doch spannend in Erfahrung zu bringen, was die einzelnen Passagiere (alle waren etwa in meinem Alter, Martina vermutlich etwas jünger) dazu bringt nachts über die Ostsee zu schippern.

Während alle anderen direkt ins Bett gegangen sind, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen noch ein wenig durch das wirklich komplett leere Schiff (kein einziger Mensch ist mir begegnet) zu schleichen und nach einem Weg nach draußen zu suchen. Auf Deck 11 wurde ich fündig und habe mir angeschaut, wie Verkö immer kleiner wurde und am Ende ganz verschwand. Nachts allein draußen auf einem scheinbar menschenleeren Schiff zu stehen und in die Finsternis auf dem Meer zu schauen ist schon ein bisschen gruselig – auf eine positive Art und Weise. ^^

Das Duschen war aufgrund des Wellengangs etwas umständlich (Duschbad und Haarshampoo sind ständig durch das Bad gekullert), aber dafür konnte ich bei dem Geschaukel sehr gut einschlafen. 😉 Morgens um sechs kam aus dem Lautsprecher in der Kabine dann „I am sailing“ bevor eine nette Stimme irgendetwas Undefinierbares auf Schwedisch und Polnisch erklärte. Nicht die schlechteste Art aufzuwachen.Vor allem, da die Kabine wirklich sehr schön war und immer noch erheblicher Wellengang herrschte.

Bevor die anderen aus dem Bett waren, bin ich zum Wachwerden wieder zu meinem Aussichtsdeck hochgeklettert. Als ich die Tür aufgestemmt habe (ich bin mir generell nicht sicher, ob die Passagiere da überhaupt rauf sollten, aber man konnte ja keinen Fragen, weil nirgendwo jemand war) hat es mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem verschlagen. Da draußen war es nicht windig, es toste ein ausgewachsener Ostseesturm!

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Es war wirklich, wirklich windig…

Weit von der Tür habe ich mich deswegen auch nicht weggetraut, weil ich doch insgeheim befürchtete, dass mich der Wind direkt über die Reling wehen könnte…Gesehen hätte ich allerdings so und so nichts. Es war eine mondlose, tiefschwarze Nacht und das polnische Ufer war noch nicht in Sichtweite. Trotzdem… mir hat es gefallen und im Gegensatz zu Verkö hat Gdynia auch einen richtigen Containerhafen, der maritimes Flair verbreitet.

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Fast im Hafen von Gdynia

Da mein Zug nach Warschau erst halb zwei abfuhr, wollte ich die Zeit vorher noch für eine Erkundungstour nutzen. Danzig, das ich seit ich die Blechtrommel zum ersten Mal gelesen habe so gerne mal sehen wollte, liegt ja ganz in der Nähe. Also habe ich am Bahnhof in Gdynia meinen großen Rucksack (der witziger Weise wie auch alle meine anderen Koffer Oskar nach dem Protagonisten der Blechtrommel heißt) am Bahnhof in ein Schließfach gesperrt habe, bin ich also losgezogen einen Zug nach Danzig zu finden, was kein Problem war, obwohl außer Jenny niemand mit dem ich heute gesprochen habe Englisch verstanden hat.

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Zug nach Danzig

Ein bisschen mulmig war mir schon, weil ich erstens nicht wusste wie lange man eigentlich nach Danzig fährt, ob von dort auch rechtzeitig wieder ein Zug nach Gdynia geht, wo in Danzig ich eigentlich aussteigen sollte und wo man dann den Teil der Stadt findet, den ich von den Bildern her kenne und gerne sehen wollte. Am Ende habe ich mich wie so oft auf das Prinzip der intuitiven Wegerkennung (ohne Smartphone 😉 verlassen. Innerhalb von 20 Minuten war ich felsenfest davon überzeugt, dass Danzig die schönste Stadt der Welt ist. Aber seht selbst.

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Danzig

Als gäbe es ein Drehbuch bin ich dann auch genau in der Minute durch ein altes Tor auf die Hafenpromenade gelangt als die Sonne auf hinter den Häusern aufging und bei strahlend blauem Himmel alles gleich nochmal so faszinierend aussah. Der perfekte Zeitpunkt um die Sonnenuntergangsfunktion auf meinem neuen Fotoapparat auszuprobieren. =)

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Auf den Spuren der Blechtrommel bin ich dann auch zu dem Denkmal der Verteidigung der polnischen Post gegen die Nazis gekommen. Zumindest glaube ich, dass ich das Denkmal gefunden habe… es war irgendwo mal ausgeschildert, aber da habe ich es nicht gefunden und die (polnische) Inschrift auf diesem Denkmal habe ich mit meinen nichtexistenten Polnischkenntnissen so interpretiert, dass es wohl an eben diese Verteidigung erinnern könnte. =)

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Postdenkmal (?)

Kurz darauf war ich auch auf der heutigen polnischen Post, um ein paar Postkarten abzugeben. Ein beeindruckendes Gebäude mit viel Holz und Metallverzierungen.

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Polnische Post

Auf der Hafenpromenade, auf der selbst jetzt im Januar einige Männer angelten und sich ein Bernsteingeschäft an das nächste reihte, habe ich dann auch einen sehr netten älteren Herren kennengelernt. Am Anfang schien ein Gespräch eher aussichtslos, da ich kein Polnisch spreche und er kein Englisch. Glücklicherweise habe ich von dem was er gesagt hat dann doch verstanden, dass er irgendwas mit Deutsch gesagt hat. Auf mein begeistertes „Da, da German! Deutsch!“ hat er dann gelacht und meinte, dass er gerade gesagt hat wie schade es ist, dass ich nicht wenigstens Deutsch spreche =) Wie sich herausstellte wohnt seine Schwester in Braunschweig und eine seine Töchter ebenfalls in Deutschland, weswegen sein Deutsch ziemlich gut war. So konnte er mir dann auch einiges über Danzig und seine Geschichte erzählen. =)

Ein bisschen schade finde ich es ja doch, dass ich nicht mehr Zeit hatte, um mir Danzig anzuschauen, aber um zwölf musste ich wieder in den Zug nach Gdynia steigen. Schließlich hat der auf der Hinfahrt ja eine knappe Stunde gebraucht. Im Zug war ich kurzzeitig beunruhigt, weil die Bahn auch zehn nach zwölf keine Anstalten machte sich zu bewegen. Also habe ich eine nette junge Dame gefragt, ob dies auch tatsächlich der Zug nach Gdynia wäre. Sie verneinte und erklärte, dass dies der Zug nach Sopot ist. Ich fing also an zu rennen um einen Schaffner zu finden. Den fand ich auch… wie er gerade die letzte Tür des bereits angefahrenen Zuges schloss. O.O Da es sich bei dem Zug um einen Intercity handelte, ahnte ich Böses. Glücklicherweise stellte sich kurz darauf heraus, dass der Zug sowohl nach Sopot als auch nach Gdynia fuhr. Die nette junge Dame, die nach Sopot fuhr heißt Jianing. Sie kommt eigentlich aus Shanghai und studiert gerade in Finnland Management. Ich bin dann zu ihr ins Abteil gezogen und bis der Zug in Sopot hielt hatten wir viel Zeit uns über unsere Erfahrungen in Skandinavien, den dortigen Barmangel und unsere Begeisterung für Danzig auszutauschen.

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Jianing (Zug nach Gdynia Jenny)

Wieder in Gdynia habe ich dann noch kurz den Markt besucht und mir einen Apfel sowie etwas zu trinken gekauft. Der gestrige Tag war so hektisch, dass ich es nicht geschafft habe nach dem Frühstück in Stockholm noch irgendetwas zu essen oder zu trinken. Ich hatte ja doch gehofft, dass es auf dem Schiff etwas geben würde, aber für die wenigen Gäste, die auch noch alle direkt in ihre Kabinen gegangen sind soweit ich das sehen konnte, haben sie nix aufgemacht und einen Automaten konnte ich nicht finden. Heute bin ich klüger. Ich habe mir per Zeichensprache in einer Bäckerei in Danzig ein Brötchen und einen Pfannkuchen zum Frühstück gekauft und später auch etwas zu trinken und auf dem Markt in Gdynia einen Apfel. Im Internet hatte ich bereits mehrfach gelesen, dass die Nahrungssuche oft das größte Problem diverser Interrailer war. Dem habe ich dann heute mit Vitaminen vorgebeugt. Nächster Halt Warschau und dann mit dem Nachtzug nach Budapest. Das wird spannend!

Liebe Grüße Maria

PS: Können Züge Stromausfall haben? Vorhin fing es an durch die Lautsprecher zu rauschen wie ein Radio, das keinen Empfang bekommt. Dann gingen plötzlich alle Lichter aus und der Zug legte eine Vollbremsung hin. Jetzt sitzen wir alle hier im Dunkeln… die Leute haben sich auch unterhalten, aber natürlich immer nur auf Polnisch. Die Dame neben mir spricht auch kein Englisch. Das mit dem Nachtzug nach Budapest könnte schwierig werden, wenn ich von hier aus Laufen muss…

PPS: Zwei gute Nachrichten. Für wenige Sekunden hat mein Handy gelebt und behauptet es hätte Yourfone Plus. Naja jetzt ist es wieder tot, aber vielleicht bedeutet das ja, dass Yourfone hat Gnade walten lassen. Und… das Licht ist wieder an und der Zug fährt! =) Vielleicht komme ich heute Nacht doch noch nach Budapest.

PPPS: Ok… seit vielen Stunden stellt sich mein Mobiltelefon schon wieder tot. Ich denke, dass das wohl nicht nur an einem allgemeinen Funkloch liegen wird  Das ist schlecht, denn nirgendwo gibt es mehr Telefonzellen. Ich hatte heute nach welchen gesucht und keine gefunden. Jeder hat ja heute ein Handy. Bleibt bloß zu hoffen, dass mich mein Gastgeber in Ungarn tatsächlich wie geplant abholt. Ich habe seit Stockholm weder Internet noch eine Möglichkeit zu telefonieren und vermutlich bleibt das auch so bis ich in Budapest bin.